Beschluss vom 04.12.2024 -
BVerwG 2 WDB 7.24ECLI:DE:BVerwG:2024:041224B2WDB7.24.0

Teilweise erfolgreiche Beschwerde gegen richterliche Durchsuchung

Leitsatz:

Der hinreichende Verdacht des unbefugten Aufnehmens von dienstlichen Gesprächen durch einen Soldaten kann die Durchsuchung nach § 20 Abs. 1 WDO seiner Smartwatch und seines Smartphones rechtfertigen.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 13 Abs. 1, Art. 17
    WDO § 20 Abs. 1, § 77 Abs. 1 Nr. 2c
    StPO § 110
    StGB § 201 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3
    WStG § 48
    WBeauftrG § 3 Nr. 3, § 7

  • TDG Süd 9. Kammer - 11.01.2022 - AZ: S 9 DsL 20/21 (S 7 BLd 1/21)

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.12.2024 - 2 WDB 7.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:041224B2WDB7.24.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 7.24

  • TDG Süd 9. Kammer - 11.01.2022 - AZ: S 9 DsL 20/21 (S 7 BLd 1/21)

In der Disziplinarsache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 4. Dezember 2024 beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des früheren Soldaten wird der Beschluss des Vorsitzenden der 9. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 11. Januar 2022 aufgehoben, soweit damit eine Durchsuchung der externen Datenspeicher (sog. "Cloud") angeordnet wird.
  2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem früheren Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen tragen der Bund und der frühere Soldat jeweils zur Hälfte.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft die Durchsuchung elektronischer Kommunikationsmittel wegen des Verdachts der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes.

2 1. Der frühere Soldat ist Obermaat d.R. und wurde von Januar 2021 bis Juli 2022 in der ...regiment in ... verwendet. Am 6. Dezember 2021 beantragte sein nächster Disziplinarvorgesetzter die Durchsuchung und Beschlagnahme elektronischer Datenträger oder EDV-Anlagen sowie des privaten Mobiltelefons und der Smartwatch des früheren Soldaten. Dieser habe in einer Eingabe an die Wehrbeauftragte ausgeführt, ein vertrauliches Arztgespräch vom 12. August 2021 mit Oberstabsarzt A. und Oberfeldwebel B. aufgezeichnet zu haben. Dies sei ohne deren Einverständnis erfolgt und werde durch die am 9. Dezember 2021 und am 10. Januar 2022 an das Truppendienstgericht übersandten Zeugenaussagen des betroffenen Arztes und des Sanitätsfeldwebels belegt. Zwar behaupte der frühere Soldat, eine entsprechende Einwilligung aufgezeichnet zu haben. Trotz der Möglichkeit seiner Entlastung verweigere er jedoch die Herausgabe der Tondatei. Bei seiner Vernehmung am 7. Dezember 2021 habe er die Aussage verweigert.

3 2. Der Vorsitzende der 9. Kammer des Truppendienstgerichts Süd ordnete mit Beschluss vom 11. Januar 2022, der versehentlich auf den 11. Januar 2021 datiert wurde, die Durchsuchung "und gegebenenfalls die Beschlagnahme von Beweismitteln" an. In der Beschlussformel wurde die Durchsuchung des früheren Soldaten selbst, seiner persönlichen Sachen, seines Fahrzeuges, seines Spindes und des Wertfachs, seiner persönlichen/dienstlichen elektronischen Datenträger oder EDV-Anlagen, der dienstlichen Behältnisse, seines privaten Mobiltelefons und seiner privaten elektronischen Armbanduhr mit Computerfunktionalität und -konnektivität (sog. AppleWatch) einschließlich der externen Datenspeicher (sog. Cloud) angeordnet.

4 Der frühere Soldat sei verdächtig, die Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG i. V. m. § 201 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 StGB, § 48 Abs. 1 WStG), zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst und innerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt zu haben. Der Verdacht stütze sich auf die Angaben des früheren Soldaten in seiner Eingabe sowie die glaubhaften Zeugenaussagen. Es stehe zu erwarten, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismaterial, nämlich der in Rede stehenden am 12. August 2021 angefertigten Tondatei auf der Smartwatch, dem Mobiltelefon oder externer Speichermedien, führen werde.

5 In der Niederschrift über die am 17. Januar 2022 durchgeführte Durchsuchung heißt es, das Mobiltelefon des früheren Soldaten, die AppleWatch und die Zugangsdaten zur iCloud seien beschlagnahmt worden.

6 3. Am 18. Januar 2022, ergänzt durch Schreiben vom 20. Januar 2022, hat der frühere Soldat Beschwerde eingelegt und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme beantragt. Die Schreiben enthalten keine eigenhändige Unterschrift, sondern eine eingescannte Signatur. Der frühere Bevollmächtigte legte mit Schreiben vom 28. Januar 2022 vorsorglich erneut Beschwerde ein. § 20 Abs. 1 WDO lasse eine Durchsuchung von Datenträgern, insbesondere aus Cloud-Diensten, nicht zu. Dem Beschluss hafte ein Formfehler an, da er auf das falsche Jahr datiert worden sei. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Truppendienstgerichts sei die 9. Kammer nicht zur Entscheidung über den Antrag auf Durchsuchung zuständig gewesen. Der entscheidende Richter sei nach § 77 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WDO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen gewesen, da er in einem den früheren Soldaten betreffenden Beschwerdeverfahren mitgewirkt habe. Der Beschluss werde rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nicht gerecht, da er lediglich einen gesetzlichen Tatbestand benenne und keine konkreten Handlungen bezeichne, auf die sich der Verdacht gründe. Die Ermittlungen beruhten auf einer von ihm verfassten Eingabe, deren Weitergabe zu Ermittlungszwecken unzulässig gewesen sei. Sie sei zudem unverhältnismäßig, da der vorgebrachte Verdacht nicht mit einer Dienstgradherabsetzung zu ahnden sei. Auch habe er in seiner Eingabe eine angebliche Aufzeichnung nur mit seiner AppleWatch beschrieben. Die Durchsicht anderer Speichermedien sei auch deshalb unverhältnismäßig. Die Beschwerde richte sich auch gegen die Beschlagnahmeanordnung, die eine Konkretisierung der zu beschlagnahmenden Gegenstände vermissen lasse.

7 4. Dem Beschwerdeführer wurden am 10. März 2022 das Mobiltelefon und die AppleWatch ausgehändigt. Zuvor waren die Uhr, das Handy und die Cloud durch das Zentrum für Cyber-Sicherheit der Bundeswehr ausgewertet worden, nachdem ein Abbild der Daten erzeugt worden waren. Neben einem Gesprächsmitschnitt, der dem 12. August 2021 zugeordnet werden konnte, wurden weitere 18 Audiodateien auf dem Handy mit dienstlichem Bezug aufgefunden. Der Bericht und die Audiodateien liegen der Wehrdisziplinaranwaltschaft vor, die mittlerweile die Ermittlungen übernommen und zugesichert hat, die Dateien bis zu einer Entscheidung über die Beschwerde nicht zu verwenden.

8 5. Der frühere Bevollmächtigte beantragte mit Schreiben vom 8. April 2022 zusätzlich, die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme festzustellen. Trotz Erledigung liege eine fortdauernde faktische Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Grundrechts aus Art. 13 GG vor.

9 Auch die Durchführung der Durchsuchung sei fehlerhaft erfolgt. Insbesondere die Durchsicht durch das Zentrum für Cybersicherheit weise diverse Mängel auf. Dem früheren Soldaten sei es vor der Durchsuchung verwehrt worden, seinen Verteidiger zu kontaktieren. Die Feldjäger hätten seine gesamte Wohnung einschließlich aller Räume und Behältnisse durchsucht. Da ein Durchsuchungsbeschluss nach sechs Monaten seine Wirksamkeit verliere, sei dieser bei Vollzug im Januar 2022 aufgrund der Datierung auf Januar 2021 bereits unwirksam gewesen. Mit zwei am 21. Oktober 2024 eingereichten Schreiben beantragte der frühere Soldat die Einstellung der gegen ihn laufenden Disziplinarverfahren insbesondere aufgrund der unrechtmäßigen Durchsuchung und Beschlagnahme.

10 6. Der Vorsitzende der 9. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat der Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss am 24. Mai 2024 nicht abgeholfen. Die Beschwerde gegen die vom Disziplinarvorgesetzten veranlassten Maßnahmen im Rahmen der Durchsuchung ist abgetrennt und nach dem Geschäftsverteilungsplan der 7. Kammer des Truppendienstgerichts Süd zugewiesen worden.

II

11 Die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss hat teilweise Erfolg.

12 1. Gegenstand der Beschwerde ist nur die mit dem Beschluss vom 11. Januar 2022 angeordnete Durchsuchung. Darin wird ungeachtet der missverständlichen Formulierung ("... und gegebenenfalls die Beschlagnahme von Beweismitteln") nicht zugleich eine Beschlagnahme angeordnet.

13 Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen nach § 20 Abs. 1 WDO sind rechtlich selbständige, regelmäßig in einem Stufenverhältnis stehende Entscheidungen. Eine Durchsuchungsanordnung setzt eine berechtigte Auffindevermutung im Hinblick auf potenzielle Beweismittel voraus. Da bei Erlass einer Durchsuchungsanordnung im Regelfall nicht feststeht, ob und welche potenziellen Beweisgegenstände im Einzelnen bei der Durchsuchung vorgefunden werden, müssen diese in der Durchsuchungsanordnung noch nicht konkret bezeichnet werden. Demgegenüber muss sich eine Beschlagnahmeanordnung als gewichtiger Eingriff in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) auf Einzelgegenstände beschränken, deren Beweiseignung und Beschlagnahmefähigkeit bereits konkret gegenstandsbezogen geprüft worden ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 28. April 2003 - 2 BvR 358/03 - BVerfGK 1, 126 <133> und vom 18. März 2009 - 2 BvR 1036/08 - BVerfGK 15, 225 <236>).

14 Dementsprechend ist eine bereits vorab mit einem Durchsuchungsbeschluss verbundene allgemeine Beschlagnahmegestattung, die keine Konkretisierung der erfassten Gegenstände, sondern nur gattungsmäßige Umschreibungen enthält, ungeachtet ihrer Bezeichnung noch keine Beschlagnahmeanordnung im Rechtssinne. Ihr kommt lediglich die Bedeutung einer Richtlinie für die Durchsuchung mit dem Ziel der Begrenzung des Durchsuchungsbeschlusses zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2009 - 2 BvR 902/06 - BVerfGE 124, 43 <76>; BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2022 - 2 WDB 12.21 - BVerwGE 175, 1 Rn. 11 f.).

15 Der vorliegende Beschluss enthält lediglich eine gattungsmäßige Aufzählung von Durchsuchungsobjekten und gestattet nur pauschal die Beschlagnahme von "Beweismitteln". Zwar erfährt der Beschluss in der Begründung eine Konkretisierung auf die Suche nach der am 12. August 2021 angefertigten Aufzeichnung über das Arztgespräch des Soldaten. Hierbei handelt es sich jedoch nicht bereits um eine konkrete Beschlagnahmeanordnung der AppleWatch, des Smartphones oder der betreffenden Audiodatei. Gestattet wird nur die vorläufige Sicherstellung dieser Gegenstände zur Durchsicht. Eine Prüfung auf deren Beweiseignung und Beschlagnahmefähigkeit hat vor Erlass des Beschlusses nicht stattgefunden. Auch haben weder der Disziplinarvorgesetzte noch der Truppendienstrichter die im Rahmen der Beschlagnahme notwendige Prüfung vorgenommen, ob die zur Durchsicht mitgenommenen Geräte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zurückgegeben werden können, ob die Beschlagnahme einer Kopie der auf den Geräten befindlichen Daten ausreicht, inwiefern eine Trennung der potenziell beweiserheblichen Daten von den restlichen Daten möglich und in welchem Umfang eine Löschung oder Herausgabe der für das Verfahren irrelevanten Daten geboten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2022 - 2 WDB 12.21 - BVerwGE 175, 1 Rn. 14). Das spätere Drängen des Vorsitzenden der für die Beschwerde nach § 42 Nr. 5 WDO zuständigen 7. Kammer auf Herausgabe der Gegenstände und Anfertigung einer Kopie ändert nichts daran, dass in dem Durchsuchungsbeschluss vom 11. Januar 2022 noch keine Beschlagnahme eines konkreten Datenträgers, einer bestimmten Audiodatei oder einer hiervon herzustellenden Kopie angeordnet ist.

16 2. Die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ist größtenteils zulässig.

17 a) Die Beschwerde ist nach § 114 Abs. 1 WDO statthaft. Danach sind Beschwerden gegen Beschlüsse des Truppendienstgerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen, ausnahmsweise zulässig, wenn sie eine Durchsuchung oder Beschlagnahme betreffen, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Die Beschwerde nach § 114 WDO ist auch gegen Durchsuchungsanordnungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO außerhalb gerichtlicher Disziplinarverfahren statthaft (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2024 - 2 WDB 10.23 - juris Rn. 16 ff.).

18 Die Einwände des früheren Soldaten im Hinblick auf die Durchführung der Durchsuchung, insbesondere zur Dauer der forensischen Untersuchung und zur verwehrten Verteidigerkonsultation, sind nicht im vorliegenden Verfahren, sondern in dem gesondert geführten Beschwerdeverfahren nach § 42 Nr. 5 WDO zu behandeln. Diese Norm eröffnet eine Beschwerdemöglichkeit gegen die Maßnahmen bei der Durchsuchung seitens des Disziplinarvorgesetzten, der Wehrdisziplinaranwaltschaft oder sonst beteiligter Ermittlungsbehörden. Für diese Beschwerde ist grundsätzlich das Truppendienstgericht zuständig. Unstatthaft ist ferner der Antrag auf Einstellung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, weil im vorliegenden Beschwerdeverfahren nur die Rechtmäßigkeit der richterlichen Durchsuchungsanordnung den Streitgegenstand bildet.

19 b) Das Rechtsschutzbedürfnis für die Entscheidung über die Beschwerde ist nicht durch Vollzug des Durchsuchungsbeschlusses entfallen.

20 Führt eine angeordnete Durchsuchung zunächst noch nicht zur Beschlagnahme, sondern nur zur vorläufigen Sicherstellung zwecks Durchsicht entsprechend § 110 StPO, so ist diese Phase noch zum Vollzug der Durchsuchungsanordnung zu rechnen, so dass die Beschwerdemöglichkeit gegen den Durchsuchungsbeschluss fortbesteht (vgl. BGH, Beschluss vom 3. August 1995 - StB 33/95 - juris Rn. 7). Dies ist hinsichtlich der bei der Durchsuchung der Smartwatch und des Smartphones gesicherten Daten der Fall. Ihre Durchsicht ist noch nicht abgeschlossen und die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat noch keine richterliche Anordnung der Beschlagnahme bestimmter Daten beantragt.

21 Demgegenüber ist eine Durchsuchung zwar rechtlich abgeschlossen, wenn sie ohne Sicherstellung vollzogen worden ist oder die bei ihrem Vollzug sichergestellten Gegenstände an den Verdächtigen oder den betroffenen Dritten wieder herausgegeben worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 3. August 1995 - StB 33/95 - juris Rn. 4). Dies ist bei der Smartwatch und des Smartphones der Fall. Denn diese bei der Durchsuchung sichergestellten Gegenstände wurden dem früheren Soldaten im März 2022 zurückgegeben. Das Rechtsschutzbedürfnis kann aber auch nach Erledigung einer belastenden Maßnahme fortbestehen, wenn es sich um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff handelt und sich die Maßnahme typischerweise auf einen Zeitraum beschränkt, in dem Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen können (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 538/06 u. a. - BVerfGE 117, 244 <268>). Die angeordnete Durchsuchung der Smartwatch und des Smartphones ist mit einem solch tiefgreifenden Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verbunden.

22 c) Die Beschwerde gegen die Anordnung der Durchsuchung der Cloud war hier auch nicht ausnahmsweise deswegen unzulässig, weil der frühere Soldat der Durchsicht und Sicherstellung der Cloud-Inhalte freiwillig zugestimmt hat (vgl. § 94 Abs. 2 StPO). Denn die vom Soldaten nach eigenen Angaben "proaktiv" vorgenommene Herausgabe der Passwörter für die Cloud und der Sperrcodes für die elektronischen Geräte beruhte erkennbar auf der Annahme, dazu durch den Durchsuchungsbeschluss verpflichtet zu sein. Zwar setzt Freiwilligkeit grundsätzlich nicht die Kenntnis voraus, ob eine Pflicht zur Herausgabe besteht. Ein freier Willensentschluss liegt aber nicht vor, wenn eine Verpflichtung erkennbar irrig angenommen wird und keine Belehrung über das Nichtbestehen einer Herausgabepflicht erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 223/87 - NStZ 1987, 569 <570>; Hauschild, in: MüKo StPO, 2. Aufl. 2023, § 94 Rn. 43). Eine entsprechende Belehrung ist in der Durchsuchungsniederschrift nicht protokolliert. Darin wird im Gegenteil auch die vom früheren Soldaten eingeräumte proaktive Mitwirkung nicht vermerkt und die vorübergehende Sicherstellung der Geräte und der Kennwörter zur Durchsicht mit der ungenauen Formulierung "Beschlagnahme" beschrieben. Dies lässt darauf schließen, dass die Herausgabe der Passwörter und Sperrcodes auch vom Disziplinarvorgesetzten nicht als Einwilligung gewertet worden ist.

23 d) Die Beschwerde ist schließlich form- und fristgerecht gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 und 3, § 112 Satz 1 WDO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung eingelegt worden. Denn jedenfalls das Anwaltsschreiben vom 28. Januar 2022 erfüllt diese Voraussetzungen.

24 3. Die Beschwerde ist teilweise begründet.

25 a) Der Durchsuchungsbeschluss ist zwar formell rechtmäßig. § 20 WDO stellt eine verfassungskonforme Ermächtigungsgrundlage für die richterliche Anordnung einer Durchsuchung von Datenträgern und darauf gespeicherter Daten dar (BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2022 - 2 WDB 12.21 - BVerwGE 175, 1 Rn. 31 ff.).

26 aa) Die Durchsuchung wurde ordnungsgemäß vom nächsten Disziplinarvorgesetzten des früheren Soldaten beantragt. Der Beschluss geht auch nicht über den Antrag hinaus, da der Disziplinarvorgesetzte nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden der Truppendienstkammer klargestellt hat, dass sich die Durchsuchung auch auf den Soldaten selbst, seine persönlichen Sachen, sein Fahrzeug, den Spind und das Wertfach sowie dienstliche Behältnisse erstrecken soll.

27 bb) Die Anordnung der Durchsuchung erfolgte gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO durch den zuständigen Richter des Truppendienstgerichts Süd. Nach dem gemäß § 72 Abs. 5 WDO i. V. m. § 21e GVG maßgeblichen Geschäftsverteilungsplan des Truppendienstgerichts Süd für das Jahr 2021 war die 9. Kammer für alle Truppenteile und Dienststellen des Kommandos ... zuständig, die ihren Dienstsitz in ... hatten. Da der frühere Soldat bei Eingang des Durchsuchungsantrags am 6. Dezember 2021 Angehöriger der ...regiment "..." war und diese Einheit des Kommandos ... ihren Sitz im ... hat, war die 9. Kammer somit auch für den Durchsuchungsbeschluss zuständig.

28 cc) Der Vorsitzende war auch nicht nach § 77 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WDO von der Entscheidung ausgeschlossen. Dies ist nur der Fall, wenn ein Richter an einem früheren, dieselbe Sache betreffenden Beschwerdeverfahren mitgewirkt hat. Das frühere Beschwerdeverfahren muss nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm dieselbe Sache betreffen. Es genügt nicht, dass - wie hier - dieselbe Person angeschuldigt ist. Dieselbe Sache liegt ebenso wie bei der Ausschlussregelung des § 22 Nr. 4 StPO nur vor, wenn die disziplinare Verfolgung denselben Sachverhalt betrifft, so dass es auf eine zumindest teilweise Identität des historischen Ereignisses ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1979 - 1 StR 575/78 - BGHSt 28, 262 <264> und BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2024 - 2 WNB 3.24 - juris Rn. 9 zu § 44 Abs. 3 WDO). Hieran fehlt es vorliegend. Das vom früheren Soldaten angeführte Beschwerdeverfahren betrifft einen Vorfall in der Zahnarztgruppe vom 21. Juli 2021, so dass keine Identität mit dem hier zugrundeliegenden Ereignis in der Arztgruppe am 12. August 2021 vorliegt. Darüber hinaus handelt es sich nicht um ein früheres Verfahren, da der Antrag auf Durchsuchung am 6. Dezember 2021 gestellt und ein Beschwerdeverfahren gegen die Disziplinarbuße vom 20. Januar 2022 erst später betrieben worden ist.

29 dd) Der Wirksamkeit des Beschlusses steht auch nicht entgegen, dass der Vorsitzende ihn fehlerhaft datiert hat, da es sich hierbei um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt.

30 b) Der Durchsuchungsbeschluss ist allerdings materiell teilweise rechtswidrig.

31 aa) Er ist zur "Aufklärung eines Dienstvergehens" ergangen. Der Tatvorwurf ist im Durchsuchungsbeschluss hinreichend genau umschrieben worden, um den mit dem Vollzug der Durchsuchungsanordnung verbundenen Eingriff in Grundrechte messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Juli 2020 - 2 BvR 1324/15 - WM 2020, 1701 Rn. 23 m. w. N.). In den Gründen des Beschlusses heißt es, der Soldat sei hinreichend verdächtig, am 12. August 2021 im Behandlungsraum des ...zentrums ... ein Arztgespräch mit Oberstabsarzt A. ohne dessen Zustimmung aufgezeichnet zu haben.

32 bb) Bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses bestand ferner der Verdacht eines Dienstvergehens. Das Gewicht des Grundrechtseingriffs verlangt insoweit auf konkreten Tatsachen beruhende Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Eine Durchsuchung darf einerseits nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind. Andererseits muss sich aus den Umständen, die den Anfangsverdacht begründen, noch keine exakte Tatpräzisierung ergeben. Denn das Stadium des Anfangsverdachts zeichnet sich gerade dadurch aus, dass noch Ermittlungen nötig sind, weil die Tat in ihren Einzelheiten noch nicht aufgeklärt ist (BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2022 - 2 WDB 12.21 - BVerwGE 175, 1 Rn. 49).

33 Als Erkenntnisquellen standen dem Vorsitzenden Richter die Eingabe des früheren Soldaten an die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages sowie die Vernehmungen der an dem Gespräch beteiligten Zeugen Oberstabsarzt A. und Oberfeldwebel B. zur Verfügung. Der Soldat hatte am 7. Dezember 2021 von seinem Recht Gebrauch gemacht, die Aussage zu verweigern.

34 Der Inhalt des Schreibens des Beschwerdeführers und die zeugenschaftlichen Bekundungen begründen zumindest den Anfangsverdacht einer vorsätzlichen Verletzung der innerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) und der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), die auch die Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung umfasst. Das unbefugte Aufnehmen eines nichtöffentlichen Gespräches verstößt jedenfalls gegen § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB und ist mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht. Dies gilt nicht nur für das unbefugte Aufzeichnen privater, sondern auch dienstlicher Gespräche (OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 1978 - 2 Ss 241/78 - NJW 1979, 1513 <1515>; Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Stand 2023, § 201 Rn. 1 und 6).

35 Vieles spricht dafür, dass der frühere Soldat als Amtsträger gehandelt hat und nach § 201 Abs. 3 StGB i. V. m. § 48 Abs. 1 WStG verschärft haftet. Maßgeblich ist, ob der Soldat bei einer dienstlichen Tätigkeit oder zu einem dienstlichen Zweck gehandelt hat (Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 201 Rn. 28; Lingens/Korte, WStG, 6. Aufl. 2023 § 48 Rn. 9). Zwar treten Soldaten häufig in privater Eigenschaft auf, wenn sie als Patienten im Sanitätsversorgungsbereich ein Behandlungsgespräch mit ihrem Truppenarzt führen. Im vorliegenden Fall wurde aber über die Dienstpflicht des früheren Soldaten aus § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG gesprochen, sich auf seine Dienst- oder Verwendungsfähigkeit untersuchen zu lassen. Wegen dieses dienstlichen Kontextes steht in strafrechtlicher Hinsicht ein mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedrohtes Amtsdelikt im Raum. Jedenfalls ist das unbefugte Aufzeichnen des Arztgesprächs auch ohne Hinzutreten dieses Qualifikationstatbestands eine disziplinarrechtlich relevante innerdienstliche Straftat.

36 Es bestand auch der Verdacht, dass dieses Handeln strafrechtlich nicht gerechtfertigt war. Insbesondere sprachen die vorgelegten Beweismittel objektiv gegen eine Einwilligung der Betroffenen. In seiner Eingabe vom 22. August 2021 führte der frühere Soldat zwar aus, dass er darauf aufmerksam gemacht habe, das Arztgespräch über die Diktierfunktion seiner AppleWatch aufzuzeichnen. Dies sei klar und deutlich auf der Aufnahme zu hören. Die an dem Gespräch beteiligten Zeugen haben dem jedoch widersprochen. Oberfeldwebel B. gab an, der frühere Soldat habe die Tonaufnahme weder bei der Voruntersuchung noch während des Arztgesprächs angekündigt. Ihm sei darum nicht bewusst gewesen, dass es zu einer Aufzeichnung des Gesprächs gekommen sei. Oberstabsarzt A. bestätigte, den Mitschnitt des Gesprächs ebenfalls nicht bemerkt zu haben. Von der Erteilung eines Einverständnisses hat der frühere Soldat selbst in seiner Eingabe an die Wehrbeauftragte nicht gesprochen.

37 cc) Die Eingabe an die Wehrbeauftragte ist als Erkenntnisquelle auch verwertbar, da die verfassungsrechtliche Garantie des Petitionsrechts des Art. 17 GG ihre Grenzen an dem staatlichen Interesse an der Verfolgung straf- und disziplinarrechtlicher Rechtsverstöße findet (Art. 20 Abs. 3 GG).

38 Jeder Soldat hat das Recht, sich gemäß § 7 Satz 1 WBeauftrG einzeln ohne Einhaltung des Dienstwegs unmittelbar an den Wehrbeauftragten zu wenden. Eine Eingabe an den Wehrbeauftragten steht unter dem verfassungsmäßigen Schutz des Petitionsrechts aus Art. 17 GG (Dau/Scheuren, WBO, 8. Aufl. 2024, Einf. Rn. 140; Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand August 2024, Art. 17 Rn. 61, Art. 45b Rn. 72). Folglich darf er nach § 7 Satz 2 WBeauftrG wegen der Tatsache der Anrufung des Wehrbeauftragten nicht dienstlich gemaßregelt oder benachteiligt werden. Geschützt ist die gefahrlose Ausübung des Eingaberechts als solches, also das "ob". Für den Inhalt der Eingabe trägt der Verfasser bei unwahren Tatsachenbehauptungen jedoch weiterhin die strafrechtliche und disziplinare Verantwortung (BDH, Urteil vom 25. Januar 1963 - WD 102/62 - BDHE 6, 145 <146>; Gries, NZWehrr 1997, S. 150; Dau/Scheuren, WBO, 8. Aufl. 2024, Einf. Rn. 145). Das Gesetz über den Wehrbeauftragten stellt keine uneingeschränkte Vertraulichkeit der Eingaben sicher (Spranger, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand August 2024, Art. 45b Rn. 85 und 88). Zur straf- oder disziplinarrechtlichen Überprüfung kann die Wehrbeauftragte den Vorgang an die zuständige Stelle gemäß § 3 Nr. 3 WBeauftrG zuleiten. Im Fall disziplinarer Ermittlungen entscheidet der Disziplinarvorgesetzte gemäß § 32 Abs. 1 WDO - wie vorliegend - über den Fortgang der Ermittlungen (Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/‌Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand August 2024, Art. 45b Rn. 68).

39 dd) Die Anordnung der Durchsuchung war auch verhältnismäßig. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die Durchsuchung im Einzelfall mit Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung des Dienstvergehens erforderlich sein, was nicht der Fall ist, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des vorgeworfenen Dienstvergehens und der Stärke des Tatverdachts stehen. Hierbei sind auch die Bedeutung der potenziellen Beweismittel für das Disziplinarverfahren sowie der Grad des auf die verfahrenserheblichen Informationen bezogenen Auffindeverdachts zu bewerten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. November 2019 ‌- 2 BvR 31/19, 2 BvR 886/19 - NJW 2020, 384 Rn. 25 m. w. N.).

40 Diesen Vorgaben wird der Durchsuchungsbeschluss gerecht. Der frühere Soldat war zu dem Vorwurf am 7. Dezember 2021 vernommen worden und hatte seine Aussage verweigert. Im Hinblick auf den Speicherort der Datei konnte nicht ausgeschlossen werden, dass diese sich als primäres Beweismittel nicht mehr auf der Uhr, sondern auf einem anderen Datenträger befand. Die Durchsuchungsanordnung anderer Speichermedien war somit erforderlich, um an die gespeicherte Datei zu gelangen. Der Beschluss stand auch in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des vorgeworfenen Dienstvergehens, das sich bei einem Strafrahmen von mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe im Bereich der mittelschweren Strafbarkeit bewegt.

41 ee) Die Durchsuchung verletzt auch nicht Art. 13 Abs. 1 GG. Eine Wohnungsdurchsuchung wurde ausdrücklich nicht zugelassen. Bei der dienstlichen Stube handelt es sich nicht um eine Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG und § 20 Abs. 1 WDO. Dies gilt unabhängig davon, ob der jeweilige Soldat zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet ist, oder ob er dort freiwillig wohnt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2009 - 2 WDB 3.08 - BVerwGE 133, 231 Rn. 26).

42 ff) Die Durchsuchungsanordnung ist allerdings rechtswidrig, soweit damit eine Durchsuchung der von der Smartwatch und dem Smartphone räumlich getrennten Speichermedien (Cloud-Dienste) angeordnet wurde. Für eine solche Anordnung enthält die Wehrdisziplinarordnung keine Ermächtigungsgrundlage, auch nicht in § 20 WDO. Denn der Zugriff auf Kommunikationsinhalte, die außerhalb der Endgeräte des Soldaten auf dem Server eines Providers gespeichert sind und auf die er nur über eine Internetverbindung zugreifen kann, greift in das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Abs. 1 GG ein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2009 - 2 BvR 902/06 - BVerfGE 124, 43 <54 f.>). Ein solcher Eingriff ist - wie § 148 WDO zeigt - in der Wehrdisziplinarordnung auch für das gerichtliche Disziplinarverfahren derzeit nicht vorgesehen (BVerwG, Beschluss vom 2. September 2022 - 2 WDB 6.22 - NVwZ 2022, 1733 Rn. 21 m. w. N.). Für die Durchsuchung außerhalb des gerichtlichen Disziplinarverfahrens verweist § 20 Abs. 5 WDO ohnedies nicht auf § 110 Abs. 3 StPO.

43 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 3, § 140 Abs. 5 Satz 1 WDO.